spät an und suchen ein Hotel, als plötzlich eine
Frau auf einem Fahrrad vorbeikommt und helfen
will. Sie versteht ein paar Wörter Deutsch und
bietet spontan an, dass wir im Haus ihres Vaters
übernachten können. Er sei aber in Astana. Sie lebt
mit Töchtern, Schwiegersöhnen und Ehemann in
ärmlichen Verhältnissen und die Suppe, die es zum
Abendessen gibt, besteht aus Kartoffeln sowie
Nudeln und vier kleinen Fleischbällchen, die zwi-
schen HaDi und mir aufgeteilt werden – der Rest
der Familie geht fleischtechnisch leer aus. Ich bin
mal wieder ergriffen, probiere aber erst gar nicht
zu protestieren. Das Ablehnen von Geschenken
wird hier als Beleidigung empfunden. Während die
Familie im Wohnzimmer auf dem Boden schläft,
gehen wir zum abbruchreifen Haus des Vaters, wo
wir auf einer alten Couch schlafen. Der Boden des
Hauses ist morsch und die Fenster sind zum Teil
herausgefallen. Toilette ist im Garten, ein kleines
Holzhäuschen mit Loch im Boden. Auch hier ist das
Holz derart morsch, dass ich lieber in den verwil-
derten Garten pinkle, als das Häuschen zu nutzen.
Am nächsten Tag werde ich natürlich beschenkt –
mit kasachischen Tüchern – denn man hofft, dass
wir eines Tages wiederkommen! Das waren nur
zwei Beispiele der unendlichen Gastfreundschaft in
diesem Land.
Kasachen. Das Getränk ist leicht alkoholhaltig und schmeckt wie
eine wässrige Buttermilch mit Limettensaft. Das wird jetzt nicht
unser Lieblingsgetränk, aber so schlimm wie es sich anhört, ist es
nicht! Dann gibt es Essen, der große Wohnzimmertisch ist voller
Speisen, und alles ist besonders ausgesucht, da man den Gästen
einen Einblick in die Kultur bereiten will. Es gibt Bishbazmak, was
„fünf Finger“ heißt, und man darf mit den Händen essen. Es
besteht aus selbstgemachten Nudeln und allerhand vom Pferd.
Pferde mögen die Kasachen! Als Haustiere, zum Reiten und auch
als Nahrungsquelle. Obwohl wir in Deutschland nicht auf die Idee
kämen, Pferdefleisch zu essen, macht es uns hier nichts aus. Die
Tiere leben in Herden frei und damit artgerecht in der Steppe.
Dazu gibt es viel Rohkost – Tomaten, Gurken und Paprika. Nach-
dem alle pappsatt sind, fragt der Hausherr, ob man abräumen
dürfe. Ja, auch das ist Tradition in Kasachstan: Der Gast entschei-
det, wann abgeräumt wird. Kaum ist der Tisch leer, wird er auch
schon wieder gefüllt: Es gibt Kuchen, Plätzchen und verschiedene
Süßspeisen. Alles ist köstlich – und natürlich gibt es auch Tee. Es
ist ein wundervoller Abend, der uns tiefe Einblicke in die kasa-
chische Kultur gibt. Plötzlich kommt unsere Gastgeberin und
überreicht uns verschiedene Geschenke. Es ist üblich, dass man
Gästen, die zum ersten Mal zu Besuch sind, etwas schenkt, in der
Hoffnung, dass sie wieder kommen mögen. Ich bin nun gänzlich
gerührt und weiß nicht, was ich sagen soll. HaDi ist auch baff.
Weiter geht es gen Südosten, nach Karakalinsk, einer Kleinstadt
in einem weiteren Nationalpark. Unendliche Steppe wechselt sich
mit bergigen und bewaldeten Landschaften ab. Wir kommen