Ja, es geht: Der Fotu La Pass ins Kaschmirtal.
Heutiger Bericht von unserem DANE TROPHY Teilnehmer und Motorrad Journalist Eberhard „Ebbse“ Hermann, dem Herausgeber der Zeitschrift „WHEELIES“.
Moti und seine Crew weckten uns schon vor 6 Uhr am nächsten Morgen mit den laufenden Enfield Motoren. Die letzte und schwierigste, bestimmt auch in mancherlei Hinsicht gefährlichste Etappe von ca. 200 km bis Srinagar lag vor uns. Eine der größten Sorgen von Guide Moti galt dem Wetter. Der Zoji La mit nur 3600m Höhe ist bei Regen oder extremer Nässe bei normalem Menschenverstand unbefahrbar! Sollte es, wie des Öfteren in der näheren Vergangenheit schon geschehen, dann auch noch militärische Probleme zwischen den pakistanischen Moslems und den indischen Buddhisten geben, geht auch nix! Als 3. Unbekannte gab`s da noch einen eventuellen Einbahnverkehr von dem keiner vorher sagen konnte, wann er in welche Richtung offen ist. Pünktlich um 6 Uhr knattern wir durch Kargil in Richtung Srinagar. Die Einwohner schlafen teilweise auf dem Gehweg auf Erdhäufen oder irgendwo im Gerümpel und Abfall. Kurz nach Kargil kommen wir auf eine tolle kurvenreiche, fast Sardinien ähnliche Straße im Suru und Dras Tal. Unsere „Racer-Gruppe“ kann sich nochmals richtig fahrerisch austoben, bevor die Straße nach 30 km wieder in die übliche Rumpelpiste übergeht. Die Besiedelung in dieser Hochebene besteht nur noch aus Nomaden und natürlich dem Militär, das hier schon in Bunkern und festen Stellungen präsent ist. Kurz hinter dem Nomadendorf Dras dann wieder Zwangshalt an einem militärischen Checkpoint und danach fast endlos lange LKW Militärkolonnen, bevor es nun endgültig viele Kilometer in der Dras Steppe und Hochebene vorbei an Nomaden, Ziegen, Schafen und Pferden geht.
Kein Dorf etc. nur einsame Nomadenzelte und die Straße wird immer mehr zur Schotter- und Staubpiste. Die Piste ist eigentlich nur noch einspurig befahrbar und nach einer engen Biegung sehen wir sie: Die Straße des Todes – der Zoji La Pass – direkt vor uns. Es gibt kein Zurück und wir haben in 2-facher Hinsicht Glück. Es regnet nicht und somit ist der Pass mit größter Vorsicht befahrbar und unsere Fahrtrichtung ist offen. Der Gegenverkehr darf erst Stunden später in unsere Richtung fahren. Eine dicke Staubschicht mit allen möglichen darunter verborgenen Gemeinheiten wie Felsbrocken etc. bedeckt die äußerst schmale und kurvenreiche Piste. Gefälle mit bis zu 25% machen das ganze besonders für LKWS und ihren Fahrern zum Spiel mit dem Leben. „Schauen sie möglichst nicht in den Abgrund, denn da liegen nicht wenige total zertrümmerte LKWS…steht in einem Reiseführer. Übrigens besitzen nach Aussage von Moti nicht mal die Hälfte der LKW Fahrer einen Führerschein. Dafür umso mehr Mut! Eventuelle Führerscheinkontrollen werden mit 100 Ran=1,30 € auf dem kleinen Dienstweg geregelt. „Spazieren schauen“ ist hier absolut kein Thema. Ab und zu ein Blick auf die hoch über einem vorbeiführenden Kehren kann allerdings sehr wichtig sein. Herunterstürzende Felsbrocken oder im schlimmsten Fall ein LKW könnte durchaus von oben kommen! Den Popometer auf höchste Gefühlsstufe eingestellt, denn Bremsen im falschen Augenblick womöglich noch mit der falschen Bremse führt sehr leicht zum Sturz und ggf. zum Freiflug in die Tiefe. Fingerspitzengefühl und stramme Pobacken zum Zusammenklemmen sind hier Pflicht. Lockere 2 Stunden für 10 Kilometer bis ins Tal der sogenannten Indischen Schweiz. Wiederum schafften ALLE diese große fahrerische Herausforderung! Die Enfields litten noch mehr als ihre Piloten. Wieder machte sich mancher Blinker und Spiegel selbstständig. Jens brachte seine Enfield als Chopperumbau ins Tal. Erst als wir Jens beim Stopp im Tal auf seine „gechoppte“ Enfield ansprachen, bemerkte er, dass beide vorderen Standrohre um mindestens 30 Grad nach vorne gebogen waren!! Bei Dauerrumpeln über Felsen und so manchem unfreiwilligen Sprung über Betonkanten musste eine etwas härtere Landung dabei gewesen sein. Eigentlich fahruntauglich für die restlichen 50 km nach Srinagar. Aber nur eigentlich!! Motis Mechaniker-Crew wechselte innerhalb Rekordzeit mitten im stinkenden Abfall von Sonamarg, einem kleinen Dorf im ansonsten wunderschön alpenländischen Sind Tales, beide Standrohre mit Minimalwerkzeug aus. Nach 1 Std. war die Enfield wieder startklar für die restliche Strecke nach Srinagar! .
Dank des ganzjährig reichlichen Gletscherwassers im Fluss Sind ist hier alles grün und für Mensch und Tier sehr fruchtbar. Apfel- Birnen – und Aprikosenbäume, Walnussbäume und edle Safranfelder sowie saftig grüne Wiesen und Weiden säumen die Straße nach Srinagar. Je näher wir der Hauptstadt Kaschmirs kamen, desto grüner wurde alles. Wir hatten bis dahin eigentlich nur gigantische Bergmassive mit über 7000 m hohen Bergriesen, Stein-, Salz- und Sandwüsten gesehen. Bäume waren absolute Mangelware. Umso schöner nun die Strecke nach Srinagar. Wir schafften es nun tatsächlich auch mal als gesamte Gruppe geordnet nach Srinagar zu fahren. Hier den Anschluss zu verlieren, wäre sehr fatal gewesen, denn in den schmalen unzähligen Straßen wieder gefunden zu werden, wäre einem Wunder gleich gekommen. Und es funktionierte reibungslos! Das hätte ich mir des Öfteren so gewünscht. Ich fand es einfach etwas respektlos, wenn man durch Bau- und Straßenengstellen oder Ortschaften fegt, an deren Seitenrändern Menschen sitzen, arbeiten sich waschen oder etwas verkaufen und diese von unserem Staub und umherfliegenden Steinen belästigt oder gar getroffen werden. Das hätte ich von jedem Einzelnen in Selbstentscheidung erwartet, ganz unabhängig davon, wie unser Guide Moti die Geschwindigkeit vorgibt! Wieder gab es militärische und nun auch noch „private“ Wegezoll-Checkpoints auf dem Weg in die Stadt. Auf Grund des immer noch anhaltenden Kaschmir Konflikts zwischen Indien und Pakistan herrscht hier an jeder Straßenecke noch „Kriegszustand“ in Form von voll aufmunitionierten Soldaten. Die Angst vor moslemischen Terroristen aus Pakistan ist in Srinagar nach wie vor sehr hoch. Wir wohnten 2 Tage in herrlich eingerichteten Hausbooten, völlig unbehelligt auf dem großen Dal See. Mit Ruder- oder Stocherbooten wurden wir samt Gepäck über den See zu unseren schwimmenden Hotelzimmern gerudert. Ein ganz besonders entspannendes Erlebnis nach nunmehr 14 Tagen Abenteuer pur.