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Tag 7: Tagsüber Ponyausflug, nachts Abdeckerei.

Kann man das wirklich alles so schreiben?

Wir wollen ja, dass möglichst viele Abenteurer die Faszination der Himalaya-Region kennen lernen. Und wir freuen uns natürlich auch über jeden Teilnehmer der DANE TROPHY TRANSHIMALAYA 2015. Daher waren wir bei der Beschreibung des Tags 7 in einem gewissen Zwiespalt: Wählen wir die abgemilderte, softe Beschreibung der „kleineren Schwierigkeiten“ in der Höhe oder eine offene Schilderung der Leiden jenseits der 4000m.

Da die Wahrheit ein hohes Gut ist und wir natürlich möchten, dass jeder der potentiellen Teilnehmer der kommenden Jahre weiß, was im Falle seiner Teilnahme auf ihn zukommt, haben wir uns für Letzteres entschieden.

Wie schon in den vorherigen Berichten erwähnt, hat der Bewohner der norddeutschen Tiefebene eine naive Vorstellung von der Auswirkung der Höhe. Wenn die höchste Erhebung der Deich ist und die Straßen so gerade und leer sind, dass man auf der A31 für 4km mit etwas gutem Willen nur 1min benötigt, dann haben 4000 Höhenmeter allenfalls eine abstrakte Bedeutung.

„Die Tour ist kein Ausflug zum Ponyhof“ haben wir unsere Teilnehmer versucht vorzuwarnen. Aber weder dieser Spruch noch eine ausführliche Beschreibung der eigenen Erfahrungen mit der Auswirkung der Höhe können adäquat auf die ersten Tage jenseits dieser Grenze vorbereiten. Denn jeder leidet für sich und auf seine Weise.

Wir sind also in Sarchu angekommen: 4200m.
Mit dem Begriff „Zelten“ verbindet man in der Regel die ersten angstvollen Nächte im Garten der Eltern oder die Sparversion eines Lloret de Mar Ausflugs mit Anfang 20.
In Sarchu bekommt das Wort Zeltcamp eine andere Bedeutung: Vor fantastischer Kulisse eine malerische Anordnung von -für nach indische Verhältnissen – luxeriösen weißen Zelten, inklusive eigener Naßzelle und diese sogar mit viel Keramik.

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Bereits bei unserer Ankunft um 16:30 Uhr spaltet die Höhenwirkung die Gruppe in verschiedenste Lager: Während sich die ersten sofort ins Zelt zurück ziehen und bis zum nächsten Morgen nicht mehr gesehen werden, gibt es eine weitere Fraktion, die das Szenario gut gelaunt bei einem Kingfisher-Bier auf sich wirken läßt. Thomas und ich machen noch ein paar Filmaufnahmen, Christian unternimmt, wie immer auf der Suche nach dem perfekten Motiv, sogar noch eine erstaunliche 3km Wanderung. Später am Abend nutzen wir das unglaubliche Abendlicht, um noch ein paar Bilder für den Katalog zu machen.

Fazit: Der einen Hälfte der Truppe geht es bestens, bei der anderen beginnen die stillen Leiden. Irgendwann in den folgenden 3 Tagen auf über 4000m trifft es nahezu jeden. Leider ist nicht vorhersehbar wann, wie und wie stark. Dieses Jahr hatten wir mit Eckhardt einen 73jährigen dabei, der keine bis kaum Probleme hatte; im vergangenen Jahr hatten wir einen 40jährigen Triathleten auf der Tour, der aufgrund der Erschöpfung in einer Pause mit dem Kopf auf dem Lenker eingeschlafen ist.

Die Symptome der Höhe: Schlaflosigkeit, Kopfschmerz, bisweilen leichter Schüttelfrost und Konzentrationsschwäche, mit der angesichts am Rande der Strecke befindlichen Abgründe nicht sorglos umgegangen werden sollte.

In Sarchu hatten wir mit Hansi den ersten Kandidaten, der in einer Nacht 15 Wärmepads verbraucht habt, um -unter der Decke liegend- dem Schüttelfrost entgegen zu wirken.

Der beständige Kopfschmerz läßt dabei nur wenig Schlaf zu. Ein Satz, der im europäischen Wohnräumen nicht allzu erschreckend daher kommt. Wenn man allerdings in einem indischen Zelt liegt und der Kopfschmerz den Schlaf verhindert, wird eine 10stündige Nacht sehr lang.

Wir wollen es so offen schreiben: In dieser Nacht gab es den einen oder anderen Teilnehmer, der sich fragte: „Was mache ich eigentlich hier?“
Und wenn es denn eine Möglichkeit gäbe, würde er auch in die Versuchung geraten, den schnellen Flieger zurück zu besteigen.
Wir wollen es aber genau so offen schreiben (und auch durch Aussagen der Teilnehmer belegen): Vor und nach diesen schlaflosen Nächten, entschädigt der Himalaya 1000fach für die kurzen Strapazen.

Wenn die Akklimatisierung vollzogen ist, sind die Sinne noch mehr bereit für die Aufnahme der Großartigkeit der Landschaft, des Lichts und der Gesamtheit der Eindrücke.
Die kurze Zeit des Leidens während der Höhenakklimatisierung ist bei der Gesamtschau auf die Tour letztendlich ein Bestandteil der Erlebnisse, die die der Intensität dieser Reise ausmachen.

Spätestens in dieser Nacht wird uns allen klar, dass es sich wahrlich nicht um einen Ponyausflug handelt. Die Höhe fordert den Körper und den Geist. Wir sind im höchsten Gebirge der Welt und bekommen eine leise Ahnung davon, welch unglaubliche Leistung Menschen erbringen, die die höchsten Gipfel dieses Gebirges erklimmen.

Am Morgen des Tages 7 in unserem Zeltlager in Sarchu muß unser Kopf einen irrwitzigen Kontrast verarbeiten: Die Sonne taucht das fantastische Panorama in weiches Licht. Die Landschaft ist wunderbar, die Temperaturen sommerlich warm und der Mensch fühlt sich wie ausgekotzt. Am Frühstückstisch wird geschwiegen oder allerhöchstens über die Leiden der Nacht gesprochen.
Mancher Teilnehmer läßt das Frühstück gänzlich ausfallen. Die lächerlichen 70m zum Frühstückszelt sind eine Qual und es ist kaum vorstellbar, heute ein Motorrad durch das Geröll zu prügeln.

Auch wenn sich niemand offenbart: Gäbe es eine realistische Möglichkeit, würde ein Teil der Truppe an diesem Morgen wohl die Tour abbrechen.

Moti, unser Guide,  kennt diese Stimmung und er weiß auch, dass sich diese sofort ändert, wenn die Motorräder bestiegen sind. Mit großer Bestimmtheit drängt er also auf eine Abreise um 8:00 Uhr. Die Motorräder laufen bereits, unsere indischen Helfer haben jede Maschine bereits angekickt. Denn, so unvorstellbar dies erscheinen mag, nach mehr als 2x kicken wäre man an diesem Morgen extrem geschwächt.

Ein Teilnehmer hat sich aufgrund der Erfahrungen der Nacht, verstärkt durch anhaltenden Durchfall, dazu entschieden, die heutige Tagesetappe im Bus zu absolvieren.
Immerhin 19 Mann verlassen aber auf den Maschinen die wunderschöne Zeltstadt Sarchu, für die sie heute aber keinen Blick haben. Denn jeder ist stark mit sich selbst beschäftigt.

Dann aber, wie von Moti vorher gesagt, nach wenigen Metern weicht die Erschöfung aus den Körpern. Das Gehirn erhält Sauerstoff, der Kopf wird frei und der gerade noch gebeutelte Mensch sehr glücklich.

Die Erklärung ist sehr einfach: Der Fahrtwind preßt den erhofften Sauerstoff in die Lungen.
Die Sinne sind wieder bereit für das himalayanische Kino.
Und hier, auf dem Weg von Sarchu nach Tso-Kar, ist es besonders groß!

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Bei Sarchu verlassen wir den Bundesstaat Himachal Pradesh und gelangen nach Ladakh. Die Landschaft ist karg, bizzar. Felsformationen ocker bis braun. Wir kurven hinauf auf den Nakee La und weiter auf den Lachung La. Der Lachulung La liegt in der Region Ladakh im indischen Bundesstaat Jammu und Kashmir. Er trennt die Täler des Tsarap Chu und des Tozay Chu, welche beide über den Zanskar dem Indus zufließen. Und wir haben erstmals die 5000er Marke überschritten. Wir stehen auf 5.059 m. Die Kopfschmerzen sind vergessen. Und der nächste Höhepunkt naht im Abstieg: Kurz vor Pang verengt sich die Schlucht zu einem einzigartigen Canyon. Die Straße ist sensationell in die Felsen geschlagen und windet sich hinab zum Flussgrund. Nach einer ausgiebigen Foto- und Videosession geht es weiter zum Verpflegungscamp in Pang.

Nachdem wir uns wieder gestärkt haben, nehmen wir die 26 Kehren hinauf in die Pang Moore Plains. Es folgt eine unbeschreiblich schöne, wüstenhafte Hochebene mit einer Hochgeschwindigkeitsstrecke: Die Straße ist über 40 km durchgehend asphaltiert.

Dieses Jahr fahren wir jedoch nicht weiter über den Taglang La, sondern biegen in die Sandpiste nach Tso Kar, einem Salzsee ab. Heute übernachten wir auf 4.500 m. Kaum steigen wir von unseren Bikes, kommt die Müdigkeit, die Kopfschmerzen und bei dem einen oder anderen die Übelkeit.

Der Tag war ein Ponyausflug. Diese Nacht geht es wieder zur Abdeckerei.