4000m. Klingt doch eigentlich ganz harmlos. Insbesondere der Norddeutsche kann mit dieser Höhenangabe meistens nur wenig anfangen. Unser Deich ist ja schließlich viel länger.
Gut, ok, mag ja sein das die Luft ein bißchen dünner wird; kann aber ja nicht so schlimm sein.
Heute werden wir die 4000m Grenze überschreiten und auch erstmals über dieser Höhengrenze übernachten. Und die Berge sollten uns zeigen, wie klein wir sind.
Erstmal wird das Höhenklettern aber ein großer Spaß: Bei strahlenden Sonnenschein fahren wir hinauf auf den Baracha La, dem 4890m hohen Paß, der die Täler des Yunan und des Baga trennt. Neben dem fantastischen Morgenlicht ist das erste Highlight auf dem Streckenabschnitt die Durchquerung eines 40cm tiefen und cirka 100m langen Schmelzwasserflußes. Zufälligerweise treffen wir exakt dort wieder auf eine australische Himalayatruppe, die nahezu parallel zu uns die gleiche Strecke absolviert. Das Ergebnis dieses Aufeinandertreffens: Die Durchfahrt jedes Einzelnen wird von cirka 30-40 Kollegen beobachtet, fotografiert und kommentiert. Da will Mann natürlich keine schlechte Figur machen und durchpflügt das steinige Flußbett möglichst elegant und aufrecht stehend. Die Anspannung der Durchquerung wird noch leidlich erhöht, da es auf der rechten Seite, wie es sich im Himalaya gehört, mehrere hundert Meter bergab geht. Es ist also ratsam, sich vom unruhigen, steinigen Untergrund nicht zu weit nach rechts bugsieren zu lassen. Lieber also die lautstarken Kommentare beim Fußabsetzen in Kauf nehmen, als die Strecke rechts für eine spektakuläre letzte Abfahrt zu Nutzen. Unsere Truppe schlägt sich sehr wacker, während einige unserer neuen australischen Freunde doch ein wenig feige den Schleichweg entlang der Wasserfurte nutzen. Natürlich nicht unkommentiert.
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Euphorisiert durch unseren fahrerischen Gruppensieg am Wasserloch, dem anhaltenden Sonnenschein und der einzigartigen Landschaft entwickelt sich später dann kaum merklich ein kleines, absurdes Rennen. Der Manali-Leh Highway ist für die indische Armee von großer strategischer Bedeutung, denn er stellt die einzige Alternative zur nahe der pakistanischen Grenze gelegenene Srinagar-Leh-Verbindung dar. Er hat aus diesem Grunde auch einige sehr gut ausgebaute, asphaltierte Passagen. Die Pass-Straße zum Baracha La gehört dazu. Nach einer Rast an einem Hochgebirgsee bei Patseo steigert die Spitze unserer Truppe langsam und kontinuierlich das Reise-Tempo. Insbesondere „Racing-Klaus“, der bei geschätzten 95% der gesamten Tour unseren Guide Mr. Moti durch konsequentes dichtes Auffahren zu höherem Tempo auffordert, ist am heutigen Tag mit seiner Taktik erstmals erfolgreich. Moti zieht bei seiner bedauernswerten Enfield immer stärker am Hahn. Es gehört zu den Phänomenen einer Gruppentour, dass diese Herausforderung gegen jede Vernunft vom Feld angenommen wird. Moti versucht also den Fahrern aus dem Land des 4maligen Weltmeisters mal zu zeigen, welche Geschwindigkeit und Kurvenlage mit einer Bullett Machismo denn so möglich ist. Klaus läßt sich nicht Lumpen und zeigt ihm, dass Deutschland nicht nur Fußball spielen kann. Ungefähr die Hälfte der 20 Mann Truppe bleibt nach einem ersten Überraschungsmoment im Windschatten von Klaus. Und so erwischen wir uns selbst dabei, wie wir den Baracha La mit schleifender Fußraste in Angriff nehmen.
Ja, wir wissen es. Angesichts der Konzentrationsschwierigkeiten in der Höhe, den Unwägbarkeiten des indischen Straßenbaus und den seitlich mehrere hundert Meter abfallenden Schluchten nicht unbedingt eine gute Idee. Zumal man beim Fahren am Limit natürlich keinen Blick für die großartige Landschaft hat. Aber: Motorradfahren ist ja generell nicht immer vernünftig und, was soll man sagen, dieser kurze Unvernunftsanfall hat einfach großen Spaß gemacht. Zumal man von „Racing“ mit einem 23 PS Moped bei kontinuierlich ansteigender Straße ohnehin nicht richtig sprechen kann. Moti und Klaus haben einen klassischen Start-Ziel-Sieg hin gelegt, der vom Feld ob des nicht klar definierten Rennstarts am grünen Tisch natürlich kritisiert wurde. Um die Positionen 3-7 gab es äußerst interessante Positionskämpfe, die, ohne jetzt Namen nennen zu wollen, Norddeutschland gegen Baden Würtemberg gewonnen hat.
Zumindest aus meiner Sicht.
Wie nahezu immer bei solchen improvisierten Rennveranstaltungen gab es grundlose Proteste, Gemäkel an der Unterschiedlichkeit der Fahrzeuge und Beschwerden über die Schwächen von Fahrwerk und Technik. Die bekannten Ausreden also. Denn natürlich sitzt der Begrenzer ja oben drauf.
Das langsame und höchste Rennen der Welt endet mit einem Aufenthalt in einer der typischen Jurten, die den reisenden Gästen irritierend aussehende, aber schmackhafte Nahrung aus einer hygienisch dubiosen Küche und zugleich eine kleine Schlafstatt für ein mittägliches Powernapping bieten. Danach geht es wieder bergab, auf einer traumhaften Abfahrt entlang dem Yunan-Fluß zum fantastisch gelegenen Adventure-Camp Sarchu, eine Zeltstadt in atemberaubender Umgebung. Diesmal lassen wir uns Zeit und genießen das eindrucksvolle Licht- und Wolkenspiel jenseits der 4000m. Für die Anstrengungen des Tages werden wir belohnt mit einem fantastischen Sonnenuntergang mit zeitgleichen Mondaufgang.
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Wir sind jetzt auf 4200m Höhe und in dieser Nacht sollten wir erstmals merken, was das eigentlich bedeutet…